Erzählcafé mit Anni Steininger
Beim Erzählcafé teilte Anni Steininger ihre Erinnerungen
Das Mauthausen Komitee Enns lud am 16. Oktober zum Erzählcafé mit der 1929 geborenen Zeitzeugin Anni Steininger ein. Im Pfarrsaal Enns-St. Laurenz berichtete die aus St. Valentin stammende Frau Steininger von ihren Erlebnissen und Erfahrungen.
"In der Schule, wir waren 5 Mädchen, wo die Eltern keine Nazi waren. Die anderen wären auch keine Nazis gewesen, aber es war ja eine Arbeitslosigkeit und viel Armut.", berichtete die 95jährige Anni Steininger aus St. Valentin beim Erzählcafé des Mauthausenkomitee Enns letzten Mittwoch im vollen Pfarrsaal in Enns-St. Laurenz.
Sie schilderte eindrucksvoll aus ihrem Alltag ab dem 5. März 1938, wo ihr jüngster Bruder auf die Welt kam. Am 12. März marschierte Hitler in Österreich ein, das von Flugzeugen in Unmengen abgeworfene Werbematerial mit Hitlerbild und Hitlergruß brachten sie vom Schulweg zur Mutter ins Kindbett, wo die Hebamme sagte: "Deckts ma doch den Buams nicht zu, der dastickt da drinnen!"
In der Schule ersetzte sofort der Hitlergruß das "Grüß Gott", das Schulgebet war verboten. Im Herzograder Wald wurde unmittelbar mit dem Bau der Spielzeugfabrik, später Panzerfabrik begonnen, die Straße zwischen Enns und St. Valentin wird im Volksmund immer noch Panzerstraße genannt. In den letzten Kriegsjahren wurde dort ein großer Stollen erbaut, wo 8.000 Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge unter schwierigsten Bedingungen arbeiten mussten.
Anni Steininger war mit ihrem Vater, der Holz ins Werk lieferte, manchmal im Stollen, wo sie die hungrigen KZler mit den gestreiften Anzügen gesehen hat. Ihr Vater nahm jedes Mal Essen mit dorthin, die SS-Aufsicht deckte ihn dafür, weil eigentlich müssten sie das melden und dann würde er erschossen, oder komme selbst ins KZ.
Ihre Schwester hatte nach der Zitherstunde in einer Kapelle einen erhängten KZ-Häftling gefunden: "Der hätte sich vermutlich einen Trost holen wollen von oben". Es waren auch sehr viele Frauen unter den Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen: "Die sind sehr schlecht behandelt worden."
Bei ihrer Familie zuhause arbeiteten sechs Kriegsgefangene aus Polen und der Ukraine, vier Männer und zwei junge Frauen. Sie waren lange Zeit auch Teil der Familie, nach Kriegsende reisten sie mit Erinnerungsfotos nach Hause.
Kriegsende bedeutete weiße Fahnen und Freude, es kam aber noch die Besatzungszeit. Die Amerikaner verteilten drei Tage lang gedrucktes Geld, dann kamen die Russen, zwei davon schliefen ein paar Tage lang im Elternbett von Anni Steiningers Familie.
"Es war Mai, Zeit für die Arbeit auf den Feldern", die Pferde waren jedoch mit den Kriegsgefangenen verschwunden. "Vater ist mit dem Fahrrad Futter mähen gefahren, aber ohne Fahrrad heimgekommen, das nächste Mal ohne Uhr. Die Russen habens brauchen können."
Viele junge Mädchen schliefen zur Sicherheit auf dem Heuboden und durften bei Veranstaltungen nur von der Ferne zusehen, um nicht zum Tanz aufgefordert zu werden. "Der Zusammenhalt war in dieser Zeit unser Motto, dass eins dem anderen wieder hilft.", berichtet Anni Steininger.
Die Erziehung ihres Elternhauses und ihr Glaube hatten ihr durch ihre Jugendzeit geholfen.
Anni Steininger beendete das Erzählcafé mit einem Gedicht von Theresa von Avila, wo sie u.a. verlas: "Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, wer Gott besitzt, dem kann nichts fehlen!"
Das Mauthausen Komitee bedankt sich sehr herzlich für diesen besonderen Nachmittag.
Weitere Zeitzeug:innen, die von ihren Erfahrungen während der NS-Zeit und der Kriegsjahre berichten möchte, sind herzlich willkommen!
Nähere Infos unter enns@mkoe.at