Mit Lehrlingen zu den Spuren der Erinnerung
06.03.2025

Als Berufsschullehrer der LBS Dornbirn 1 habe ich schon einige Projekte mit Lehrlingen umgesetzt. Es ist mir wichtig, dass die Lehrlinge sich mit der Geschichte der Region in der NS-Zeit beschäftigen. Eine Auswahl von Projekten stelle ich im Folgenden vor.
Rundgang Gedenkstein Dornbirn im Jänner 2025
Der Rundgang Gedenkstein in Dornbirn, den ich mit Lehrlingen am 21. Jänner 2025 durchgeführt habe, stellt durch die Biografien der Opfer einen sehr guten Bezug her. Empathie und Zivilcourage sind für mich sehr wichtig.
Empathie spielt eine zentrale Rolle im Verständnis des Holocaust. Sie ermöglicht uns, die Perspektiven der Opfer nachzuvollziehen und die menschlichen Tragödien hinter den Zahlen und Fakten zu erkennen. Indem wir uns in die Lage der Betroffenen versetzen, fördern wir ein tieferes Verständnis für die Auswirkungen von Diskriminierung und Gewalt. Empathie ist nicht nur eine emotionale Reaktion, sondern auch ein Antrieb, aktiv gegen Ungerechtigkeiten einzutreten.
Zivilcourage ist der Mut, sich für das Richtige einzusetzen, auch wenn es unbequem ist. Im Kontext des Holocaust ist es wichtig, die Geschichten derjenigen zu würdigen, die trotz großer Gefahr für andere eingetreten sind. Zivilcourage kann in vielen Formen auftreten, sei es durch das Eintreten für Minderheiten, das Anprangern von Diskriminierung oder das Fördern eines respektvollen Miteinanders. Als Lehrperson ermutige ich meine Schüler:innen, Zivilcourage zu zeigen.
Insgesamt sind Gedächtnisorte, Empathie und Zivilcourage eng miteinander verbunden und bilden eine wichtige Grundlage für das Lernen aus der Geschichte und das Streben nach einer besseren Zukunft.
Exkursion KZ Mauthausen im April 2018
Am 27. April 2018 war ich mit Zimmererlehrlingen der Klasse Z3C erstmals im Konzentrationslager Mauthausen. Die Besichtigung dieses historischen Ortes war für alle Jugendlichen ein besonderes Erlebnis. Sie konnten sich ein sehr eindrückliches Bild dieses Ortes des Schreckens machen, und ihre Betroffenheit war stark spürbar.
Schriftliches Feedback von Lehrling Philipp über diesen erstmaligen Besuch der Gedenkstätte Mauthausen: "Es ist erschreckend und interessant zugleich, die Gedenkstätte Mauthausen zu sehen. Meiner Meinung nach sollte wirklich jeder Mensch sehen, was passieren kann, wenn die falschen Leute an die Macht kommen."
Jüdisches Museum Hohenems – Fluchtgeschichten im Juni 2019
Für die Klasse M2D (Maler:innen, zweites Lehrjahr) organisierte ich am 13. Juni 2019 eine Exkursion nach Hohenems zum Thema Fluchtgeschichten. Treffpunkt war der Bahnhof Hohenems. Frau Mag. Judith Niederklopfer machte mit uns eine zweistündige Führung zum Thema Fluchtwege bis zur Schweizer Grenze. Die Lehrlinge hörten Audio-Interviews von damaligen Flüchtlingen und Fluchthelfer:innen, die sie auf dem Weg begleitet hatten. Es waren Geschichten von Flucht, aber vom schwierigen neuen Leben danach.
Einige Feedbacks von Lehrlingen der Klasse M2D:
"Mir hat es gut gefallen, aus dem Grund, weil man die Fluchtversuche mitbekommen hat bzw. gut als Audio von den Leuten, die das miterlebt haben, so dass man sich das bildlich besser vorstellen konnte. Sie haben das gut erklärt und mit der Audio von den Leuten kommt es noch glaubwürdiger rüber."
"Alle wollen nur, dass wir Jugendliche bzw. alle Menschen der Erde wissen, wie schlimm es früher war und dass alles wiederholt werden könnte, wenn wir die Geschichte von früher nicht kennen."
"Ich ging am 13. Juni mit meiner Klasse M2D auf eine Exkursion in den Wald, wo wir über die Verfolgung von den Juden im Zweiten Weltkrieg erfahren haben. Ich fand es sehr interessant, weil die Juden kein leichtes Leben hatten bzw. haben. Meiner Meinung finde ich es verstörend, wie Menschen andere Menschen nur wegen ihres Glaubens oder Aussehens diskriminieren und umbringen lassen. Meiner Meinung nach ist jeder Mensch gleich viel wert, egal wie er/sie aussieht, was er/sie für einen Glauben hat oder auf welches Geschlecht er/sie steht."
"Gestartet haben wir beim Bahnhof in Hohenems. Ich fand es interessant, dass man manchmal auch mit diesem kleinen Telefon [Audio-Guide, Anm.] Geschichten von Leuten gehört hat, die überlebt haben. Es war auch gut, dass wir draußen an der frischen Luft waren, so war es schon viel angenehmer. Ich finde die Geschichte über den Zweiten Weltkrieg und die Flucht sehr interessant. An sich hat mir die Führung sehr gefallen. Frau Niederklopfer war auch sehr nett zu uns."
"Zwei nette Damen haben uns Geschichten und Bilder gezeigt, wie die Familien damals gelebt haben und was ihre Situation war. Es war interessant zu hören, wie die Familien geflüchtet sind und die Orte zu sehen. Hoffentlich werden wir so eine Zeit nie mehr erleben müssen."
Zeitzeuginnen-Gespräch der 2. Generation im März 2023
Erstmals gab es im Festsaal an der LBS Dornbirn 1 am 20. März 2023 ein "Zeitzeuginnen-Gespräch der 2. Generation". Teilgenommen haben die Lehrlinge der Klassen T1C, BZ2C, M2C und M3C. Frau Hubmann tauchte am Anfang in die Zeit des Nationalsozialismus ein und gab einen sehr aufschlussreichen Überblick. Dann erzählte Frau Portenschlager von ihren persönlichen Erfahrungen, die sie als Kind und Erwachsene mit einem schwer traumatisierten Vater gemacht hatte.
Ich habe die Lehrlinge gebeten, ein Feedback zu geben.
Lehrling Mihajilo: "Ich fand es sehr interessant, dass wir so etwas hören durften. Etwas, was für immer in der Geschichte bleibt und nie vergessen wird. Ich habe es richtig gespürt, als die Frauen davon erzählten. Es ist sehr schlimm, was da damals passiert ist, aber ich finde es umso wichtiger, dass es nicht in Vergessenheit gerät. So etwas darf man niemals vergessen, die schrecklichen Taten. Islam war sehr gut und hat sich sehr gut bedankt."
Lehrling Annabell: "Mir hat der Vortrag sehr gut gefallen, und es war eine tolle Erfahrung, jemand[en] seine eigene Geschichte von Familienmitgliedern [erzählen] zu hören, die den Zweiten Weltkrieg selbst miterlebt und in einem KZ nicht weit von hier gewesen ist. Ich bin sehr froh, dass wir die Chance hatten, uns so etwas Interessantes anhören zu können. Die zwei Damen waren auch sehr nett und haben alle Fragen auch sehr ausführlich erklärt. Sie haben auch sehr viele bewegende Bilder auf der Powerpoint[-Präsentation] gehabt, die mich wirklich sehr gerührt [sic!] haben. Es war eine sehr tolle Erfahrung, die Geschichte zu hören, da sich das alles bei uns einmal abgespielt hat und es auch heute noch in vielen Ländern Krieg gibt. Vielen Dank für den tollen Vortrag."
Lehrling Alissa: "Also ich muss sagen, es war wirklich sehr interessant zum Zuhören, weil man sich selber so eine Lage nie vorstellen könnte. Diese Geschichte hat mich sehr getroffen und berührt. In der heutigen Zeit (…) [haben wir den] Luxus (…), keinen Krieg, ein Dach über dem Kopf, Essen zu haben. Am meisten getroffen hat mich das mit ihrem Vater, wo [sic!] sie uns erzählt hat, was man daraus machte, dass auch ein kleines Stück Brot wertvoll ist. Froh sein, wenn man aufsteht und die Welt in Ordnung ist, wie man sie kennt. Auch für den Vater muss es unglaublich schlimm gewesen sein, so was wünscht man keinem, was dieser arme Mann durchmachen musste."
Gedenkrundgang des Stadtmuseums Dornbirn im Jänner 2025
Am Dienstag, dem 21. Jänner 2025, machte ich erstmals mit Lehrlingen der Klasse T2B (Tischler:innen, zweites Lehrjahr) einen Rundgang mit Monika Grabher durch die Stadt Dornbirn bei grauem und sehr kaltem Wetter. Für diesen Rundgang werden zwei Unterrichtseinheiten benötigt, und es war für mich bestimmt nicht das letzte Mal, da dieser sich sehr gut organisieren lässt. Das Stadtmuseum ist von der Schule aus in zehn Minuten erreichbar.
Der neu konzipierte Rundgang in 6 Stationen ist speziell auf die Bedürfnisse von Schüler:innen ab der achten Schulstufe zugeschnitten. An heute alltäglich genutzten Orten und Plätzen der Innenstadt wird anhand von Einzelschicksalen erzählt, wie NS-Herrschaft, Verfolgung, Machtapparat und Widerstand miteinander verknüpft waren. Im Stadtraum und durch die biografischen Erzählungen soll die Geschichte der Stadt vor allem für Jugendliche fassbarer werden. Die konfliktbehaftete Entstehungsgeschichte des Gedenksteins regt zur Reflexion über unseren Umgang mit Geschichte an.
Lehrling Linus: "Generell fand ich es gut, die ganze Thematik wieder einmal in Erinnerung zu rufen. Mir hat gefallen, dass die Vortragende immer wieder Fragen gestellt hat. So fiel es mir leichter, aufmerksam zu bleiben. Besonders berührt hat mich das Foto von der Kirche Dornbirn mit den ganzen Hitlerfahnen ringsum. Das hat mir abermals gezeigt, wie nah das alles war."
Exkursion mit Lehrlingen M3C & B3C im Februar 2025
Am Dienstag, dem 18. Februar 2025, waren 11 Lehrlinge der Klassen M3C & B3C im Vorarlberg Museum in Bregenz, um die Ausstellung "Wir waren begeistert! Warum?" anzuschauen.
Im Fokus der Ausstellung stehen die damalige Faszination und Begeisterung für den Nationalsozialismus in Vorarlberg, die insbesondere durch die Fotografien von Werner Schlegel in den Blick genommen werden. Die Rolle der Fotografie als Propagandamittel, aber auch als Quelle für die regionale Geschichte soll damit bewusst gemacht werden.
Quelle: mm40_web.pdf
Lehrling Philip: "Gefallen hat mir an dieser Exkursion in das Landesmuseum Bregenz die Offenlegung diverser Dokumente dieser Zeit wie zum Beispiel Meisterbriefe oder Todesanzeigen usw. Es gewährte uns einen tiefen Einblick, wie es bei uns in Vorarlberg zu dieser Zeit ablief. Besonders berührt bzw. erschrocken haben mich die Zahlen, die an den Schilderungen abzulesen waren. 120 Vorarlberger wurden in KZs verlegt und min. 50 kamen ums Leben."
Lehrling Tamara: "Der Ausflug hat mir sehr gut gefallen, da wir einen Einblick erlangen konnten, wie es damals abgelaufen ist und gesehen haben, dass es nicht immer so schön war, wie wir es jetzt haben."
Lehrling Julia: "Mir hat die Ausstellung gut gefallen, weil man einen Einblick bekommen hat, was früher Grausames passiert ist. Besonders berührt haben mich die Bilder und die Texte über die Gefallenen."
Lehrling Marcio: "Es hat mir gefallen, dass so etwas überhaupt ausgestellt wird. Berührt haben mich besonders die Todeszahlen (Ruhet in Frieden)."
Lehrling Samuel: "Es haben mir die Dokumente und Bilder gefallen, die alles sehr gut gezeigt haben sowie die Beschreibungen zu den Bildern. Berührt hat mich besonders, wie viele ‚Aktionen‘ und Aufmärsche es in Vorarlberg gegeben hat und wie schwer die Zeit damals war."
Lehrling Kilian: "Ich fand es sehr informativ. Ich wusste bspw. nicht, dass die SA einen eigenen Anführer hatte und anfangs eigene Ideen hatte. Erst nach der ‚Auslöschung‘ von einflussreichen Persönlichkeiten der SA durch die NSDAP verlor diese an Bedeutung und wurde nachher in die NSDAP eingegliedert. Mich haben die Bilder von Orten besonders berührt, die ich heute sehr gut kenne (Dornbirner Marktplatz, Feldkircher Innenstadt, Kornmarktplatz), zu sehen, welche damals als Veranstaltungen für nationalsozialistische Veranstaltungen genutzt wurden und eben auch, dass die Leute begeistert waren und dazu gehören wollten. Ich fand es gut, dass die Ausstellung kompakt und informativ gehalten wurde. Eventuell hätte ich gerne aber mehr Informationen über Opfer oder ähnliche Geschichten wie die des Fotografen erhalten."
Christoph Rinderer, Berufsschullehrer und Absolvent des Hochschullehrgangs "Pädagogik an Gedächtnisorten" der PH Oberösterreich im Schuljahr 2023/24
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